Arnsberg. Wolfgang Wirth, pensionierter Apotheker begeistert die Gäste der Akademie 6 bis 99 in Arnsberg. Hier fragt niemand nach dem Alter. Das Einzige was zählt, sind der Wissensdurst, die Neugier und der Spaß am Lernen. Im Rahmen der jüngsten Akademie 6 bis 99 begrüßte er seine Zuhörer mit den Worten von Parazelsus, der vor 600 Jahren sagte: „Mensch, lerne, lerne, frage, frage und schäme Dich nicht, zu lernen und zu fragen“.
Passender hätte er es nicht ausdrücken können. Genau das ist die Philosophie der Akademie 6 bis 99 in Arnsberg. Das spannende Thema lautete dieses Mal: „Pillendreher und Giftmischer… wie der Apotheker zu diesen Namen kam.“
Wolfgang Wirth verstand es, mit seiner begeisternden Art die kleinen und großen Zuhörer in seinen Bann zu ziehen. Er spannte den Bogen aus dem Mittelalter bis zur Neuzeit. Vieles erschien aus heutiger Sicht kurios und unvorstellbar, wie etwa wenn er erzählte, dass es vor 800 Jahren noch keine Arbeitsteilung zwischen Arzt und Apotheker gab. Da machte der Arzt das Verordnen und Zubereiten der heilenden Substanzen ganz allein.
Erst zwischen 1231 und 1241 entwickelte sich der Beruf eines Apothekers unter der strengen Aufsicht der Ärzte. Anfangs glichen die Apotheken einem Markstand. Doch schon sehr bald gelangten sie zu Wohlstand und Ansehen. Sie statteten sich zu Laboratorien aus. Ein Apotheker musste damals ein guter Küchenmeister sein und mit Topf und Feuer umgehen können. Die vom Arzt mündlich angegebenen „Drogen“ wurden grob abgemessen, gewogen, gerieben und dann in einem Mörser und Pistill zerstoßen. Den bitteren Geschmack korrigierten sie mit Honig oder Zucker. Auch tierische „Drogen“ wurden seinerzeit getrocknet, zerstampft, gedampft, pulverisiert und mit Zitronen- und Berberitzensaft versüßt.
Für das Einsammeln der tierischen „Drogen“ als Zutaten für die Arzneien gab es feste Zeiten: So durfte Hundekot nur im Juli nach Sonnenuntergang, Froschlaich nur drei Tage vor Neumond, Ameisen und Regenwürmer nur im Mai, Menschenblut nur im Frühjahr und Schwalbenkot nur bei zunehmendem Mond eingesammelt werden, um es zu heilenden Substanzen zu verarbeiten. „Bah…, pfui…, igitt…, gut, dass ich nicht im Mittelalter gelebt habe“, konterte ein junger Zuhörer mit weit aufgerissenen Augen. Alles lachte. Jeder wusste, was er meinte.
Viele Apotheken führen aus dieser Tradition heraus daher heute noch Tiere wie Löwen, Einhorn, Schwanen, Adler, Hirsch, Bären und Pinguine in ihrem Namen. Von diesen Tieren verwendete man in früheren Zeiten fast alle Teile zur Herstellung von Arzneimitteln. Sogar Kröten und Mumienfett wurden verwendet. Zu den handwerklichen Künsten eines Apothekers im Mittelalter gehörte das Pressen, Zerstoßen, Pulverisieren, Zerstoßen, Schlämmen, Filtrieren, Seien, Kochen, Eindämpfen und Trocknen. Das handwerkliche Kerngeschäft war das Pillendrehen. Es gehörte von eh und je zur Ausübung des Berufes des Apothekers.
Egal ob es sich um die Herstellung von Pillen mit abführender, herzstärkender, blutdrucksenkender oder beruhigender Wirkung handelte, immer wurden dabei auch stark wirksame Substanzen von wenigen Milligramm verarbeitet. Erst mit Paracelsus, vor 600 Jahren, hielt die chemische Kunst den Einzug in das Apotheker-Laboratorium. Es kam die Destillation, das Sublimieren, das Glühen und Schmelzen hinzu. Die Gäste hörten von der besonderen Wirkung der asiatischer Pillen, der Fingerhutblätter, der Digitalispillen, der Herstellung von Dragées und vieles mehr.
Mucksmäuschenstill wurde es im Foyer des Berufskollegs am Eichholz, als Elke Wirth ein fesselndes Giftmord-Märchen mit ihrer einfühlsamen und eindrucksvollen Stimme vortrug. Es war das I-Tüpfelchen auf dem gelungenen Vormittag.
Die historische Apotheke des Klostermuseums von Oelinghausen mit den typischen Utensilien, Gerätschaften und Werkzeugen hatte Wolfgang Wirth fein säuberlich in Kisten und Kästen verpackt und zur Akademie 6 bis 99 mitgebracht. Glänzende Augen, neugierige Blicke und der Wunsch, all diese Dinge einmal selbst auszuprobieren, standen den Teilnehmern ins Gesicht geschrieben. Ein Eldorado für die Akademie-Gäste, die es gewohnt sind, selbst Hand anzulegen, um zu „begreifen“, wie die Welt funktioniert. Eine Augenweide für Alt und Jung. Die Werkzeuge des Apothekers übten einen faszinierenden Reiz auf die Gäste aus. Sie waren kaum auf ihren Stühlen zu halten, als er sie dazu einlud, sich als „Apothekergehilfen“ zu betätigen. Da wurden Pillen mit der Hand gedreht, Mörser, Pillenbretter, Pistillen, Rolierer, Handwaagen und Pillenabteiler ausprobiert.
Parazelsus Weisheit kam hier ganz zum Tragen: Die Gäste der Akademie 6 bis 99 „löcherten“ Wolfgang Wirth, den Experten, mit ihren Fragen. Das Radio 6 bis 99 berichtet über diese spannende Veranstaltung auf den Frequenzen von Radio Sauerland am 2. Weihnachtstag um 19 Uhr.
Vorschau: Am Samstag. 19. Januar 2013, findet im Foyer des Berufskollegs am Eichholz; Féauxweg 24, um 10:30 Uhr in Arnsberg die nächste Akademie 6 bis 99-Veranstaltung statt. Das Thema: „Wir lassen die Puppen tanzen“ – Ein Blick vor und hinter die Kulissen des Marionettentheaters Firo aus Sundern. Eine Anmeldung dazu ist nicht erforderlich. Referenten: Peter Radischewski und Christiane Linn