Siegen/Olpe, 19. Januar 2012 – Die Betriebe im Bezirk der Industrie- und Handelskammer Siegen (IHK) wollen 2012 ihr Ausbildungsvolumen leicht steigern. Sie versuchen zudem, dem Rückgang der Schulabsolventen durch intensivere Schulkontakte zu begegnen. Vor allem aber erteilen sie der NRW-Schulpolitik schlechte Noten. Dies sind die zentralen Ergebnisse einer IHK-Blitzumfrage bei knapp 200 heimischen Personalchefs und Ausbildern. Der von der rot-grünen Landesregierung und CDU ausgehandelte Schulkompromiss verunsichert offenbar die Unternehmen mehr als bisher angenommen. 35 Prozent der Betriebe sind verunsichert, weil ihnen die Schulstrukturen zu unübersichtlich werden. Lediglich 7 Prozent der befragten Unternehmen finden die in dem Kompromiss auf Landesebene faktisch angelegte Ausdehnung der Schulformen sinnvoll. IHK-Hauptgeschäftsführer Franz J. Mockenhaupt: „Nur 1 Prozent der befragten Personal- und Ausbildungsverantwortlichen gibt an, alle zukünftig in Nordrhein-Westfalen angebotenen Schulformen wiesen ein klares Profil auf. Lediglich 5 Prozent halten es für gut, dass die Kommunen aus sehr vielen unterschiedlichen Schulformen auswählen können. Im Grunde ist dies ein vernichtendes Urteil für den schulpolitischen Kompromiss auf Landesebene.“
Eindeutig wichtiger als die Frage der Schulformen sei für die Unternehmen, wie intensiv die inhaltliche Vermittlung in den Klassenzimmern vonstatten gehe. Dies hätten immerhin knapp zwei Drittel aller befragten Unternehmen angegeben, so IHK-Geschäftsführer Klaus Gräbener: „Die Politik beschäftigt sich nach wie vor zu stark mit der strukturellen, nicht jedoch ausreichend mit der inhaltlichen Komponente des Unterrichtens. Nur so ist es zu erklären, dass mittlerweile ein Viertel der Befragten Mitleid mit den Eltern haben, die Schulformentscheidungen zu treffen haben und jedem achten Personalchef die Lehrer leid tun.“ Da sei es fast folgerichtig, dass immerhin 23 Prozent aller befragten Personalchefs und Ausbilder die Auffassung verträten, die beste Reform bestünde in einer Reformpause. 34 Prozent der Befragten hätten angegeben, keine klare Vorstellung davon zu haben, was die NRW-Schulpolitik wirklich wolle. Auch dies müsse zu denken geben.
Dabei treibt die Unternehmen immer mehr die Sorge, dass die zunehmenden Engpässe in der Fachkräfteversorgung mit sinkenden Bewerberzahlen auf dem Lehrstellenmarkt einhergehen. Mehr als jedes zweite Unternehmen (55 Prozent) gab an, dass sich die Anzahl der Bewerbungen insgesamt im Vergleich zum Vorjahr rückläufig entwickle. 41 Prozent sprachen hier von einer in etwa gleich bleibenden Anzahl, von mehr Bewerbern berichteten lediglich 4 Prozent der befragten Unternehmen. Ein etwa gleich bleibendes Niveau der Bewerbungen registrierten 54 Prozent, ein insgesamt sinkendes Niveau machten 46 Prozent der Befragten aus.
Auf breiter Front stellen sich die Unternehmen auf die dramatisch sinkenden Schulabgängerzahlen ein. Immerhin 43 Prozent der Firmen bemühen sich bereits verstärkt um schwächere Bewerber. Zugleich gehen 64 Prozent der Unternehmen früher auf die allgemein bildenden Schulen zu als in den Jahren zuvor. 43 Prozent der Unternehmen systematisierten ihre eigenen Personalentwicklungsanstrengungen und 42 Prozent arbeiten intensiver als bisher mit Lehrwerkstätten und Bildungsträgern zusammen, um die zu erwartenden Engpässe auf dem Lehrstellenmarkt abzumildern. Erfreulich zudem: Jedes zehnte Unternehmen versucht bereits heute, die Ausbildung für potentielle Lehrlinge der Zukunft durch gezielte Auslandspraktika attraktiver zu gestalten. 22 Prozent der Firmen gaben an, die zu erwartenden Probleme durch eine intensivere Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit anzugehen. Franz J. Mockenhaupt: „Wir arbeiten mit der Agentur für Arbeit in der Beratung, der Berufsvorbereitung und der Vermittlung seit Jahren vertrauensvoll und erfolgreich zusammen. Wir wundern uns daher über diese niedrige Quote und werden gemeinsam überlegen, wie die Inanspruchnahme der Agentur für Arbeit weiter zu steigern ist. Daran müssen alle verantwortlich Handelnden in der Region interessiert sein.“
Die Blitzumfrage machte jedoch noch ein Weiteres deutlich: Die Unternehmen wollen mit ihren Anstrengungen in der betrieblichen Erstausbildung nicht nachlassen. Die befragten Unternehmen gaben an, im vergangenen Jahr insgesamt 653 Lehrlinge eingestellt zu haben. Für das laufende Jahr 2012 wollen dieselben Unternehmen nach derzeitigem Sachstand 674 Auszubildende einstellen – eine geplante Steigerung von immerhin gut 3 Prozent. Klaus Gräbener: „Dieser Teilaspekt der Umfrage ist ausgesprochen positiv. Bereits 2011 war eines der besten Lehrstellenjahre in den letzten 25 Jahren. Ganz offenkundig will die Mehrzahl der Unternehmen das erreichte Niveau halten und sogar maßvoll ausweiten. Den Nutzen hiervon haben die jungen Menschen. Bringen sie ein Mindestmaß an Engagement und Eignung mit, dürften sich ihre Chancen auf dem Lehrstellenmarkt auch im neuen Jahr verhältnismäßig gut darstellen.“