Ergebnisse und Funde der ersten Bauern am Hellweg
Bad Sassendorf – Die bisherigen Ergebnisse verwandeln den Fundort „Landerpfad“ in Bad Sassendorf für die Archäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in einen der wertvollsten in Westfalen überhaupt. Sie fanden eine bislang unbekannte und gut 7.000 Jahre alte Siedlung aus der Jungsteinzeit. Zum Abschluss der archäologischen Ausgrabungen kamen jetzt weitere außergewöhnliche Funde wie der erste runde Zaun der Jungsteinzeit in Westfalen zu Tage.
Wo im Baugebiet „Landerpfad“ bald neue Eigenheime entstehen, haben bereits vor gut sieben Jahrtausenden die ersten Bauern Mitteleuropas die Qualitäten der Bördelandschaft erkannt. Sie ließen sich hier nieder und errichteten eine stattliche Siedlung. Die Spuren davon sind heute noch in einem Ausmaß tief in der Erde zu erkennen, dass die Archäologen begeistert sind. „Die westfälischen Bördelandschaften konnten bislang nur punktuell auf die Zeugnisse der ersten Bauernkulturen untersucht werden – insbesondere für die Hellwegregion war das aus archäologischer Sicht unbefriedigend“, erläutert Prof. Dr. Michael Baales, Leiter der Olper Außenstelle der LWL-Archäologie für Westfalen.
„Eine derartige Dichte von Funden ist mir persönlich in Westfalen noch nie begegnet“, sagt Baales. Außerordentlich sind der Erhaltungszustand und die große Anzahl der Gebäude, die sich die ersten Bauern in der sogenannten bandkeramischen Zeit auf dem mindestens 5,5 Hektar großen Gelände für Mensch und Vieh errichtet haben. Dazu gehören die für diese Zeit charakteristischen dreigeteilten Großbauten, aber auch kleinere Gebäudetypen, die ebenfalls über dreiachsige Stützreihen verfügten. In der Forschung wird die Entwicklung von Häusern mit einreihigen Pfostenwänden zu solchen mit Doppelpfostenwänden in dieser Menschheitsepoche noch diskutiert. In Bad Sassendorf kommen beide Haustypen vor und tragen wichtige Erkenntnisse zu dieser Diskussion bei. Ganz besonders froh sind die Archäologen über einen vollständigen Hausgrundriss aus der bandkeramischen Zeit – eine Rarität.
Nicht nur die Entwicklung der Haustypen lässt sich an den außergewöhnlich gut erhaltenen Löchern für die steinzeitlichen Hauspfosten ablesen. Auch ein gut halber Meter tiefer und zwischen 60 und 130 Zentimeter breiter Graben interessiert die Archäologen. Es handelt sich dabei um das erst vierte Erdwerk für diese Zeit überhaupt in Westfalen.
Einmalig sind auch die Zäune: Zum ersten Mal bekamen die Wissenschaftler ein rundes jungsteinzeitliches Exemplar zu Gesicht. Ob sie Gärten oder Weidefläche für das Vieh einhegten, ist noch nicht gesichert. Auch hier haben die aktuellen Untersuchungen ein weiteres bogenförmiges Exemplar zu Tage gefördert.
Selten ist auch ein Tonobjekt, das womöglich der rechtwinklig abgeknickte Arm einer Hohlplastik war, die einen Menschen darstellte. Darin finden sich Ritzungen, die Bekleidung und Körperformen andeuten könnten. Solche Plastiken werden in der Forschung als „Idole“ interpretiert. Ein weiteres Tonstück konnte in dieser Grabungssaison dokumentiert werden. Ob es zu diesem Objekt gehört, werden weitere Untersuchungen zeigen. Wertvoll war schon für die jungsteinzeitlichen Siedler der 31 Zentimeter lange, gelochte Schuhleistenkeil aus Amphibolit. Das Gestein für dieses beilähnliche Werkzeug wurde vermutlich über mehrere hundert Kilometer hinweg importiert. Die genaue Herkunft wird anhand von Gesteinsuntersuchungen noch erforscht.
Die Funde lassen vermuten, dass die Siedlung über mehrere hundert Jahre hinweg genutzt wurde. In der Eisenzeit vom 8. bis 1. Jahrhundert bewohnten erneut Siedler die Fläche, wie weitere Spuren im Boden zeigen. Hinzu kommen mittelalterliche Besiedlungsphasen, die wiederum in den Resten von Löchern für Pfostenbauten zu erkennen sind.
Um das herauszufinden, kamen in Bad Sassendorf ungewöhnliche Methoden zum Einsatz. So grub eine fünf Meter breite Baggerschaufel den Weg in die tieferen Erdschichten für die Archäologen frei. Auch hochspezialisierte fliegende Kameras hoben mithilfe von sogenannten Drohnen ab, um aus der Luft einen Blick auf die Pfostenlöcher und damit auf die Hausgrundrisse der Steinzeit zu ermöglichen.
Bürgermeister Malte Dahlhoff teilt mit Blick auf die Historie des Baugebietes, die mit der Abstimmung mit der Landesplanung im Jahr 2005 begann, mit, dass die Gemeinde von den Funden in diesem Umfang überrascht wurde und beim Umgang mit dem Denkmal in rechtlicher und wirtschaftlicher Sicht in erheblicher Weise gefordert war. Jetzt freut er sich, dass zum Abschluss der Ausgrabungen weitere Erkenntnisse zum Vorschein gekommen sind, die seiner Gemeinde fortan einen ganz besonderen archäologischen Stellenwert in Westfalen verleihen. „Auch für die zukünftigen Bewohner dieses Baugebietes ist es interessant zu wissen, dass der Boden, auf dem sie leben, schon den ersten sesshaften Menschen in Westfalen eine Heimat war“, betont er.
Quelle: lwl