Lippstadt – dass sich in diesem Jahr die Welt veränderte, wird angesichts der 50. Wiederkehr dieses Datums in vielen Zusammenhängen aufgegriffen. Die VHS Lippstadt hat am Mittwoch, 19. September 2018, Prof. Dr. Thomas Großbölting zu einem Vortrag „Die 68er in Westfalen“ in die VHS eingeladen, denn auch vor Lippstadt machte die Veränderung nicht halt. Insbesondere in den Schulen und Jugendzentren der Stadt und der Umgebung protestierte die junge Generation. Dabei fand die erste Demonstration in Lippstadt nicht wegen des Vietnam-Kriegs statt, sondern wegen des Einmarsches von Warschauer-Pakt-Truppen in Prag. Dagegen protestierten Lippstädter Bürgerinnen und Bürger.
Nicht die großen Highlights charakterisierten das „lange 1968“ in Lippstadt, wohl aber die vielen kleinen Veränderungen: Das Verhältnis zwischen den Generationen, aber auch zwischen Autoritäten und denjenigen, die unter diesen standen – in der Schule, in der Pfarrgemeinde, im Kontakt zur Verwaltung und anderen staatlichen Stellen. Nimmt man all diese großen und kleinen Wandlungsprozesse zusammen, dann war Lippstadt nach dem „langen 1968“ anders als zuvor.
Was passierte 1968 in Westfalen? Demonstrationen auf dem Prinzipalmarkt in Münster, „Teach-Ins“ in den neu gegründeten Universitäten von Bielefeld und Bochum, besetzte Häuser, die Gründung von Landkommunen – der 68er-Bewegung waren auch in der Provinz kaum Grenzen gesetzt. Bis heute – 50 Jahre später – sind die Folgen des politischen und kulturellen Aufbruchs sichtbar. Wie und in welchem Maße ergründet das Buch „1968 in Westfalen. Akteure, Formen und Nachwirkungen einer Protestbewegung“, herausgegeben vom Institut für westfälische Regionalgeschichte des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL).
„1968 hat die Gesellschaft, Politik und Kultur in der Region Westfalen verändert – und das intensiver und tiefgreifender als andere Zeitabschnitte“, betont Prof. Dr. Thomas Großbölting, Autor des Bandes und Historiker an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU). Kaum eine Jahreszahl in der Geschichte der Bundesrepublik ist mit einer solchen Bedeutung aufgeladen wie 1968. Die Ereignisse stehen nicht nur für eine politische Bewegung, für die der Widerstand gegen den Vietnamkrieg (1955-1975) nur eines von vielen Protestmotiven war. Das Ende der 1960er-Jahre steht auch für einen Aufbruch in Alltagskultur und Lebensstil. „Der Abstand zwischen den Generationen verringerte sich. Dem Klischee nach wurde die Jugend lauter, die Haare länger und die Röcke kürzer“, beschreibt Großbölting die Entwicklungen.
In Westfalen machten zahlreiche kleine Konflikte die Bedeutung von 1968 aus. Es gab keinen westfälischen Rudi Dutschke und keine RAF-Terroristen wie Andreas Baader oder Gudrun Ensslin. Aber Aktionen wie die Proteste gegen die Notstandsgesetze im Mai 1968 in Bochum oder der Sturm von Studierenden auf das Fürstenberghaus der Universität Münster im Juni 1969 entfalteten ihre Wirkung in der Region. „Prägend war nicht der große politische Knall oder der Skandal. Dazu waren die Bewegungen und Orte zu zersplittert, zu weitläufig und zu verschieden“, sagt Großbölting. „Auch wenn es in Westfalen – wie in vielen anderen Teilen der Bundesrepublik – nie zu einer radikalen Protestbewegung kam, bewirkten die unterschiedlichen Einzelgruppen und -aktivitäten einen anhaltenden Wandel.“ Der Zugewinn an Demokratiefähigkeit und Liberalität, das ökologische Bewusstsein, die Gleichstellung von Mann und Frau, die sexuelle Befreiung und eine grundsätzliche Friedensorientierung seien als Leitwerte und Praktiken noch heute spürbar.
Der Vortrag findet am Mittwoch, 19. September, um 19 Uhr in den Räumlichkeiten der VHS Lippstadt statt. Weitere Informationen und Anmeldung unter www.vhs-lippstadt.de. Zur besseren Planung wird um Anmeldung bis spätestens Mittwoch, 12.9.2018, gebeten.
Quelle: Stadt Lippstadt