Netzwerk des Kreisjugendamtes soll gegensteuern
Kreis Soest – Schätzungen zufolge leben in Deutschland 2,5 Millionen Kinder mit einem suchtkranken Elternteil. Diese Kinder gelten als Risikogruppe für die Entwicklung eigener Abhängigkeitserkrankungen und anderer psychischer Probleme. Das vom Kreisjugendamt initiierte Netzwerk „Psychische Erkrankungen und Sucht“ soll gegensteuern, sich gegenseitig über Arbeitsweisen und Angebote informieren und Absprachen zur Kooperation zu treffen.
Zur Auftaktveranstaltung des Netzwerks im Hubertus-Schwartz-Berufskolleg hatte das Kreisjugendamt 60 Fachkräfte der Jugend-, Gesundheits- und Suchthilfe sowie angrenzender Bereiche eingeladen. Als Gastreferent beschrieb Kurt Funk das „Erleben traumatisierter, bindungsgestörter Kinder und Jugendlicher suchtkranker Eltern“. Er blickt auf 40 Jahre Berufserfahrung in der Arbeit mit drogenabhängigen Menschen zurück, war unter anderem Leiter der Beusingser Mühle, Therapiezentrum für Suchtkrankheiten in Bad Sassendorf. Zuletzt hat er als Therapeut in der Fachambulanz Sucht des Sozialdienstes katholischer Männer Köln gearbeitet. Heute ist er als Supervisor und Coach in freier Praxis tätig.
Kurt Funk hielt den Teilnehmerinnen und Teilnehmern prominente Beispiele vor Augen und griff die Lebensgeschichten von Peaches Geldorf, Janis Joplin und Keith Richards auf, die alle von Suchterkrankungen betroffen sind bzw. daran verstorben sind. Der Referent spielte Songs von Janis Joplin und der Rolling Stones ein, deren Lead-Gitarrist bekanntermaßen Keith Richards ist, bat die Gäste, sich zu der Musik zu erheben, um das Lebensgefühl der Musiker spüren zu können, das durch ihre Musik ausgedrückt wird. Den Kontrast dazu stellte das Fazit seiner Berufserfahrung dar: „Die Belastungen von Kindern, die bei suchterkrankten Eltern aufwachsen, werden nicht genug gesehen, weil die Kinder ihr Leid nicht zeigen und die suchtkranken Eltern alles tun, um nicht aufzufallen.“ Die Folgen brachte Kurt Funk so auf den Punkt: „Suchtkranke Mütter, die ihre Impulse und Affekte nicht adäquat regulieren, können ihre Babys nicht beruhigen und halten. Sie sind ihren Babys schlechte Lehrerinnen.“
Das Kreisjugendamt hat die großen Probleme rund um Suchterkrankungen in Familien erkannt und versucht unter anderem das Familiensystem und die Lebenswelt der Kinder, Jugendlichen und Eltern stärken. Bausteine sind eine aufsuchende Familientherapie durch freie Träger, die Zusammenarbeit mit Suchtberatungsstellen und Gesundheitsamt, die Kooperation mit Kinder- und Jugendpsychiatrien, Sozialpädiatrischen Zentren und niedergelassenen Kinder- und Jugendlichen Psychotherapeuten sowie der Einsatz von Familienhebammen in jungen Familien, die von Suchterkrankungen betroffen sind. Begleitet wird dieses Programm von flankierenden pädagogischen Maßnahmen und von Fortbildungen für Fachkräfte zu diesem Themenbereich. „Auch die Auftaktveranstaltung sollte systemübergreifend Information, Austausch und Diskussion ermöglichen. Im Rahmen des Netzwerkes werden zukünftig regelmäßig Treffen stattfinden“, kündigt Gudrun Hengst, Leiterin des Kreisjugendamtes, an.