Siegen – Arbeit verändert sich: Wo vor 40 Jahren noch gut doppelt so viele Mitarbeiter in den Produktionshallen wie in den Büroetagen schafften, kehren sich die Verhältnisse allmählich um. Auf den enormen Anstieg des Anteils der Angestellten in der Industrie begegnet die IG Metall Siegen jetzt offensiv – und gut gerüstet: Rund 80 Betriebsräte, Vertrauensleute, Jugendvertreter und einfache Gewerkschaftsmitglieder kamen gestern Abend zum Auftakt des Angestelltenprojekts ins Lÿz in Siegen. Das zeigt, dass sie die Bedeutung der Zielgruppe erkannt haben.
Absolutes Neuland betreten sie mit dem Projekt nicht, denn die Angestellten, klassischerweise nicht die Kernklientel der Metaller, spielen in der IG Metall Siegen nicht erst seit gestern eine Rolle. Ihr Anteil ist allein im vergangenen Jahr um immerhin fast vier Prozent gestiegen. Doch jetzt gehen IG Metall Siegen und Betriebsräte die Mitgliedergewinnung in diesem Bereich systematischer an, unter anderem mit der eigens für das Projekt eingestellten Gewerkschaftssekretärin Katharina Wachsmann. Denn, so Andree Jorgella, Gewerkschaftssekretär und Geschäftsführer der IG Metall Siegen: „In der Metall- und Elektroindustrie wird der Angestelltenbereich immer größer. Wir sind dabei unsere Position dort stärken.
Unsere Mitgliederzahlen müssen mit dem Angestelltenanteil wachsen, damit wir auch in Zukunft vernünftige Tarifergebnisse erzielen.“ Die große Resonanz bei der Auftaktveranstaltung stimmte Jorgella optimistisch: „Dass so viele gekommen sind, zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“
„Wir müssen unsere Stärke behalten, indem wir mehr Angestellte für uns gewinnen“, appellierte Christiane Benner vom Bundesvorstand der IG Metall an die Siegen-Wittgensteiner, ihr bislang vorbildliches Engagement fortzusetzen. Die IG Metall sei längst auch die Gewerkschaft der Angestellten und besetze auch deren Themen. „Die IG Metall ist neben dem VDI die größte Interessenvertretung technischer Spezialisten“, erklärte sie exemplarisch. Nicht zufällig seien bereits fast 310.000 Angestellte bundesweit in der IG Metall organisiert. Zum Angestelltenprojekt zählt auch das gewerkschaftliche Engagement an Hochschulen; die IG Metall Siegen ist seit längerem mit „Students at work“ an der Universität Siegen aktiv. Christiane Benner berichtete, seit 2011 sei die Zahl der Studierenden in der IG Metall von 14.000 auf 29.000 hochgeschnellt.
Viele Bedürfnisse und Ziele hätten Angestellte und gewerblich Beschäftigte gemeinsam, es gebe aber auch spezifische Bedürfnisse der Angestellten, blickte Christiane Benner auf die Herausforderungen. Büromitarbeiter seien anderen Belastungen ausgesetzt als in der Produktion Tätige. Mobiles Arbeiten, Veränderungen durch fortschreitende Digitalisierung seien deshalb unter anderem Themen der Tarifrunde 2015. Fest stünden schon die Forderungen nach mehr Zeit für die berufliche Entwicklung und die bezahlte Bildungsteilzeit. Zeitsouveränität und die Vereinbarkeit von Leben und Arbeit würden in der Tarifrunde 2016 thematisiert, kündigte Christiane Benner an.
Doch zurück zum Jetzt: Die Gewerkschafter tauschten sich im Lÿz über ihre Erfahrungen, über Hindernisse und Optimierungsbedarf bei der Ansprache angestellter Kollegen aus. Sie gehen nun motiviert an die Arbeit in den Büroetagen – passend zum Motto der kommenden Tarifrunde: „Wir für mehr.“