Siegen/Olpe – „Konjunkturell treten wir auf der Stelle. Dennoch ist die Stimmung alles in allem halbwegs passabel. Die Unternehmenseinschätzungen in beiden Kreisen driften weiter auseinander. Zugleich wächst die Besorgnis über die weltweiten Krisenherde. Die nach wie vor leicht steigende Gesamtbeschäftigung ist vor diesem Hintergrund ebenso erfreulich wie erstaunlich.“ Mit diesen Worten fasste IHK-Präsident Felix G. Hensel die Ergebnisse der jüngsten Konjunkturumfrage zusammen, an der sich mehr als 470 Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistungen in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe beteiligt haben.
Die IHK-zugehörigen Unternehmen beurteilen ihre Lage im September 2016 etwas besser als zu Jahresbeginn: Über 40 Prozent der antwortenden Betriebe schätzen ihre Situation aktuell als gut ein, zwei Prozentpunkte mehr als im Januar dieses Jahres. Mit 12 Prozent urteilen weniger als zuvor negativ. Indessen ist der Blick nach vorne etwas zurückhaltender: Knapp mehr als ein Fünftel erwartet Steigerungen. Vor sechs Monaten meldete das noch jedes vierte Unternehmen. Dennoch sind nur 14 Prozent der Betriebe pessimistisch eingestellt. Unter dem Strich bewegt sich das Konjunkturklima in der Kombination von Lage und Erwartungen mit 118 Punkten nur auf geringfügig höherem Niveau als im Januar 2016 (117). In einzelnen Wirtschaftszweigen fallen die jeweiligen Konjunkturbarometer trotz der gestiegenen Vorsicht weiter relativ hoch aus. Felix G. Hensel: „Unter dem Strich ist die regionale Wirtschaft in einer soliden Verfassung und auf Kurs. Gleichwohl gibt es nach wie vor gewichtige Ausnahmen im stahlnahen Bereich. Die Industrie im Kernraum Siegen macht uns erhebliche Sorgen. Probleme dieser Art sind andererseits im Kreis Olpe derzeit so gut wie überhaupt nicht zu beobachten. Hier läuft es alles in allem prächtig, obwohl die internationalen Unwägbarkeiten eher zu- als abgenommen haben.“ Die Binnennachfrage sei ein positives Pfund, reiche aber als Hauptkonjunktursäule nicht aus. Zumal sie von aktuellen Sonderfaktoren begünstigt werde.
In der regionalen Industrie sind die Produktionskapazitäten im Saldo gut ausgelastet. Die Erträge werden unter dem Strich besser beurteilt. IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener: „Auch die Investitionsneigung im Inland steigt wieder. Das ist positiv. Die Unternehmen investieren allerdings überwiegend in den Ersatzbedarf, nicht aber, um Produktionskapazitäten auszuweiten. Im Siegener Kernraum wären wir schon froh, wenn die Bestandssicherung gelänge.“ In etlichen stahlnahen und beschäftigungsintensiven Betrieben seien die Sorgen indessen weiterhin groß. Die Umsätze in der Metallerzeugung und –bearbeitung wären in den ersten sieben Monaten um 15,9 Prozent regelrecht eingebrochen. Auch der Maschinenbau verzeichnet mit – 2,1 Prozent Einbußen. „Das ist alles andere als beruhigend. Wenn es so bleibt, sollte man sich warm anziehen. Nicht nur unsere Gießereien bewegen sich in Märkten, in denen sich Preise, Mengen und Margen im tiefsten Keller befinden. Da braucht es schon einer ausgeprägt optimistischen Grundhaltung, um frohgemut in die kommenden Monate zu gehen“, bringt es Klaus Gräbener auf den Punkt. Im Kreis Olpe hingegen seien zahlreiche Unternehmen „nah am Auto“ unterwegs. Hier werde die Situation deutlich besser eingeschätzt. Aber auch dort würden die Auftragseingänge teils nicht mehr so positiv eingestuft wie noch zu Jahresbeginn.
Die Stimmung im regionalen Baugewerbe ist gut bis sehr gut. Dort gehen die Betriebe aber angesichts der Wintersaison und den bisherigen Vorzieheffekten künftig von einer nachlassenden Dynamik aus. Im Einzelhandel ist nicht jede Branche mit dem Sommergeschäft zufrieden. Insgesamt werden Rahmenbedingungen und Verlauf des privaten Konsums weiter eher günstig eingestuft. Der Großhandel ist aktuell auf hohem Niveau weniger zufrieden als zu Jahresbeginn, hofft nun aber auf Zuwächse. Bei den Dienstleistern fällt die Stimmung noch etwas besser aus als zuvor. Sie urteilen am positivsten von allen Wirtschaftszweigen.
Auf den Weltmärkten ist durch den Syrienkrieg, die Flüchtlingssituation, die Ukraine- und Russlandkrise, die steigenden Terrorgefahren, den Brexit sowie die Chinaschwäche und weitere Unwägbarkeiten in Schwellenländern die Unsicherheit in den letzten Monaten gestiegen. Die politische Skepsis gegenüber dem internationalen Handel kommt hinzu. Nicht ohne Grund stehen die Freihandelsabkommen CETA und TTIP auf der Kippe. Ein Unsicherheitsfaktor ist zudem die ungewisse Ausrichtung der künftigen US-Wirtschaftspolitik kurz vor der Präsidentenwahl. Dennoch hoffen die regionalen Exportfirmen in den kommenden Monaten auf eine leichte Belebung der Auslandsimpulse.
„Über die Hälfte der Unternehmen treibt zudem die Sorge, dass die Inlandsnachfrage nicht mehr in dem Ausmaß wie bisher die Konjunktur stützen könnte. Sie fürchten, dass die positiven Effekte der privaten und staatlichen Konsumausgaben in ihrer Dynamik nachlassen“, ergänzt Stephan Jäger, Leiter des Referates „Konjunktur, Arbeitsmarkt und Statistik“ der IHK. Etwa 40 Prozent der Unternehmen sehen zudem die Entwicklung der Arbeitskosten als Risiko. Die Firmen sorgen sich angesichts immer neuer Regelungen und Auflagen um die Wettbewerbsfähigkeit in diesem Bereich, zumal die Beschäftigungssituation weiterhin gut ausfällt, aber an Wachstumsdynamik verloren hat.
Die Entwicklung im Einzelnen:
36 Prozent der Industriebetriebe geben aktuell ein gute Lage an, nur 16 Prozent eine schlechte. Gegenüber Januar 2016 ist das im Saldo ein Plus von vier Prozentpunkten. Über 42 Prozent der Firmen melden weiterhin Spitzenauslastungen (über 85 Prozent). Mehr Unternehmen als zuvor geben steigende Eingänge bei den Inlands- (24 Prozent) und Auslandsaufträgen (21 Prozent) an. Allerdings ist der Anteil derer mit fallenden Auslandsorders noch sehr hoch (29 Prozent). Fast jeder Dritte möchte künftig die Ausgaben für Inlandsinvestitionen erhöhen, jedoch vorrangig für Ersatzbedarfe und Rationalisierungen. Nur noch 22 Prozent der Industriebetriebe setzen auf eine demnächst bessere Entwicklung (Januar 2016: 26 Prozent), 17 Prozent sind pessimistisch eingestellt.
Weit über die Hälfte der Bauunternehmen (57 Prozent) meldet eine gute Lage und Spitzenauslastungen. Nur 3 Prozent urteilen „schlecht“. Deutlich mehr als jeder Dritte registriert hohe Auftragsbestände. Drei Viertel der Baufirmen erwarten für die nahe Zukunft einen stabilen Verlauf auf diesem Niveau. Nur noch 7 Prozent gehen künftig von Steigerungen aus, fast jeder Fünfte ist skeptisch eingestellt. Letzteres ist vor allem saisonal bedingt. Zum anderen setzen die Firmen angesichts des guten ersten Halbjahres mit Vorzieheffekten nicht auf noch weitere Zuwächse.
Mehr als jeder vierte Einzelhändler gibt eine gute Lage ein, nur 14 Prozent eine schlechte. Deutlich mehr als jeder Dritte verzeichnete zuletzt auch Umsatzzuwächse. Allerdings nicht in jeder Branche: Nahrungsmittel- und Textilhändler sind nicht so zufrieden wie zu Jahresbeginn. Angesichts der weiter relativ guten Bedingungen für den Konsum geht insgesamt fast ein Viertel der Einzelhandelsbetriebe von künftig günstigeren Geschäften aus, nur 11 Prozent fürchten Einbußen.
Über ein Drittel der Großhändler schätzt die Lage „gut“ ein, nur 8 Prozent „schlecht“. Die überwiegend produktionsnahen Betriebe sind auf hohem Niveau nicht mehr ganz so mit ihren Geschäften zufrieden wie zuvor. Sie erwarten aber künftig Zuwächse. Insgesamt setzen so knapp 30 Prozent aller Großhändler auf eine bessere Entwicklung, nur 11 Prozent auf eine schlechtere.
Mehr als jeder zweite Dienstleister sieht sich in einer guten Lage, nur 6 Prozent in einer schlechten. Die positive Stimmung überwiegt in allen Teilbranchen deutlich. In Bezug auf das Dienstleistungsgewerbe insgesamt gehen in etwa wie zuvor zwei Drittel von einer gleich bleibend auskömmlichen Entwicklung aus, 22 Prozent hoffen auf Steigerungen. Nur 6 Prozent sind skeptisch eingestellt.
Der regionale Arbeitsmarkt ist in einer soliden Verfassung: Mit 11.928 Arbeitslosen sind in der Region im August 2016 etwas weniger Menschen registriert als zum Vorjahresmonat. Die aktuelle Quote liegt mit 5,1 Prozent um 0,1 Prozentpunkte unter der von 2015. Fast ein Viertel aller Unternehmen möchte ihre Mitarbeiterzahl erhöhen (24 Prozent), nur 12 Prozent erwarten einen Abbau. In der Industrie sind trotz nicht zufriedenstellender Umsätze insgesamt etwas mehr Mitarbeiter (plus 0,3 Prozent) beschäftigt als vor einem Jahr. Allerdings ging die Industriebeschäftigung im Kreis Siegen-Wittgenstein um 1,1 Prozent zurück. Im Kreis Olpe stieg sie um 2,3 Prozent.
Quelle: IHK Siegen