Hilchenbach – Der amtierende Bürgermeister von Hilchenbach Holger Menzel tritt bei der diesjährigen Wahl nicht mehr an. Seine Gründe hat er in einem Brief an die BürgerInnen Hilchenbachs dargelegt:
Liebe Hilchenbacherinnen, liebe Hilchenbacher,
mit einem ungewöhnlichen Statement zu einer außergewöhnlichen Zeit wende ich mich heute an Sie. Genauso ungewöhnlich mag Ihnen auch der Inhalt vorkommen, ausnahmsweise nicht zum Thema Corona. Ich möchte Ihnen hiermit, nahezu zeitgleich mit der Belegschaft der Stadtverwaltung, meine noch ausstehenden Entscheidung zur erneuten Bürgermeisterkandidatur öffentlich bekannt geben.
Wir haben in den letzten 4 ½ Jahren gemeinsam viel erreicht. Sei es im Bereich des Klimaschutzes, der Digitalisierung, der Infrastruktur oder aber auch des Einzelhandels. Auch das Stadtbild in Alt-Hilchenbach, aber auch in den Ortschaften, wurde in vielen Bereichen vorangebracht, die touristische Infrastruktur verbessert. Nicht zu vergessen ist aber auch die erfolgreiche Bewältigung der wohl größten Flüchtlingskrise der letzten Jahrzehnte in den Jahren 2015/2016 sowie die anschließende Integration der neuen Hilchenbacher Bürgerinnen und Bürger.
Nicht alle Themenbereiche wurden bereits komplett abgearbeitet, aber ich meine, dass sich das Ergebnis in Summe sehen lassen kann. Und darauf bin genauso stolz wie auf die Leistungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Rathauses. Auch wenn der Weg bis zum jeweiligen Ziel oftmals beschwerlich war, es hat mir wirklich sehr viel Freude bereitet, dies zusammen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung zusammen voranzubringen. Auch wenn diese Erfolge leider allzu oft durch das ständige Suchen nach dem „Haar in der Suppe“ überlagert wurden.Aber diese Freude endet am 31.10. dieses Jahres mit Ablauf meiner Wahlzeit, da ich mich entschieden habe, nicht wieder für das Amt des Bürgermeisters zu kandidieren.
Diese Entscheidung ist mir ganz sicher nicht leicht gefallen (und fällt mir immer noch nicht leicht) und ich habe sehr lange und intensiv darüber nachgedacht und mit meiner Frau und meinen Kindern darüber diskutiert. Nicht selbstverständlich, aber darum umso schöner ist es, eine Familie zu haben, die am Ende sagt: „Wir sind stolz auf das, was du geschafft hast und wir tragen jede deiner zukünftigen Entscheidungen mit.“
Ich hätte das Amt des Bürgermeisters gerne noch mindestens eine weitere Amtszeit begleitet, aber nicht zu diesen Bedingungen. Unter dem Strich hat dies in der Abwägung der Argumente dafür und dagegen dazu geführt, dass ich nicht wieder kandidiere.
Lassen Sie mich die Gründe hierfür kurz erläutern:
Das in den ersten Jahren von allen Fraktionen erfolgreich praktizierte Wahlkampfmotto „Gemeinsam für Hilchenbach“ ist in den letzten Monaten (und somit weit vor den üblichen Wahlkampfquerelen) zunehmend in ständige unsachliche, unfaire und auch persönliche Attacken aus der Politik übergegangen. Regeln, die über Jahre hinweg Gültigkeit hatten, werden regelmäßig über Bord geworfen. Sei es, dass gesetzlich verankerte Regelungen ständig missachtet werden (wie bspw. dass nichtöffentliche Unterlagen auch nichtöffentlich bleiben und nicht ungefiltert an die Presse gegeben werden) oder dass selbst gesetzte Verhaltensregeln von einzelnen ignoriert werden. Und das ohne Rücksicht auf mögliche negative Auswirkungen auf einzelne Menschen.
Das Beschriebene entspricht so gar nicht meiner Vorgehens- und Denkweise. Dabei wünsche ich mir nicht den streitlosen Umgang mit Sachthemen, denn mir ist sehr wohl bewusst, dass ein lebhafter Diskurs nun einmal in der Politik dazu gehört und die Argumente auch durchaus kontrovers und energisch ausgetauscht werden können. Aber am Ende sollte der konstruktive Ansatz in den Diskussionen erkennbar sein. Aber auch die sportliche Fairness ist ein wichtiger Bestandteil in diesem Diskurs und an diesem fehlte es leider allzu oft und zunehmend öfter. Ich bin mir nicht sicher, ob die fehlende Fairness mittlerweile notwendige Voraussetzung für die politische Arbeit ist, aber so habe ich früher als Sportler nicht agiert, und so werde ich auch als Bürgermeister nie agieren. Und ich glaube auch nicht, dass dies für unsere Gesellschaft der richtige Weg ist, wenn demokratisch gewählte Politiker ein solches Verhalten vorleben. Ob eine solche Diskussionskultur dem Wohle der Stadt Hilchenbach dient, ob dies im Sinne der Hilchenbacher Bevölkerung ist, möchte ich ernsthaft bezweifeln. Denn die, die Populismus auf der einen Seite beklagen, können dann auf der anderen Seite den Populismus nicht in vollen Zügen für die eigenen Zwecke nutzen. Und das habe ich auch in den vielen Gesprächen mit Ihnen, liebe Hilchenbacher Bürgerinnen und Bürger zu den unterschiedlichsten Anlässen so wahrgenommen. Aber leider ändert dies die Vorgehensweise der jeweils handelnden Akteure nicht. Dies führt aus meiner Sicht am Ende zu einer weiteren Politikverdrossenheit in der Bevölkerung, die uns allen schadet.
Beispielsweise bei den Diskussionen um das Bild im Ratssaal, der auf dem Push-Festival gezeigten Antifa-Flagge oder der möglichen Spende für das Push-Festival wurde ich aufgrund meiner Auffassung zu diesen Themen in die rechte Ecke gedrängt und mir wurde vorgeworfen, auf dem rechten Auge blind zu sein.
Zu keiner Zeit habe und werde ich extremistische Gedankengänge in meine Arbeit einbinden, und das gilt gleichermaßen für Rechtsextremismus wie auch für Linksextremismus. Beide Randerscheinungen sollten in unserer Gesellschaft keinen Platz finden! Und wer mich wirklich kennt, weiß wie, weit weg die geäußerte populistische Einschätzung von meiner tatsächlichen politischen Haltung entfernt ist und wie absurd diese Behauptung ist.Die Vorgehensweise der ehemaligen Unterstützer bei den Vorüberlegungen zum Bürgermeisterkandidaten zeigt einen weiteren Aspekt. Nach durchaus erfolgreichen Jahren der Zusammenarbeit hätte ich zumindest erwartet, dass das Ende der Zusammenarbeit auch mit einem abschließenden Gespräch endet, in der die jeweiligen Argumente hierfür zumindest ausgetauscht werden und nicht wie im Konkreten nur im stillen Kämmerlein entschieden wird. Grundsätzlich ist eine solche Vorgehensweise legitim, es gibt keine Verpflichtung zur Kommunikation, aber die häufige Forderung in meine Richtung nach ausreichender Kommunikation bedeutet aus meiner Sicht aber auch eine Kommunikation in die andere Richtung. Und diese findet paradoxerweise bis heute gerade mit der Fraktion sehr gut statt, die anfänglich mit einem eigenen Gegenkandidaten angetreten ist.
Leider nehmen auch die Angriffe aus der Bevölkerung heraus zu. Der auch in Hilchenbach vorhandene aggressive Umgang mit Amtsträgern, aber auch gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Rathauses, nimmt gefühlt täglich zu. Dies erfolgt im gesprochenen Wort, in Schriftstücken, im E-Mail-Verkehr oder im größten der Schlachtfelder, in den sozialen Medien. Dies ist insgesamt erschreckend, besorgniserregend und auf Dauer auch zermürbend. Und dabei interessiert es oftmals nicht, ob die angesprochenen Mängel oder Fehler von der Stadtverwaltung selbst zu verantworten sind oder aber die eigentliche Verantwortung bei anderen Stellen liegt. Hinzu kommt leider auch eine einseitige Berichterstattung der lokalen Presse, die insbesondere Hilchenbach dauerhaft mit negativen Schlagzeilen belegt. Ein objektives Bild lässt sich mit einer solchen Berichterstattung trotz der Erfolge kaum zeichnen. Am Ende sollte jedem der handelnden Akteure klar sein, dass mit jedem kleinen negativen Beitrag die Stimmung ein bisschen mehr kippt. Ob dies bewusst in Kauf genommen wird, möchte ich hier nicht beantworten.
Es gibt aber auch strukturelle Probleme, die die Arbeit in einer Kommune, und somit auch die Arbeit des Bürgermeisters, zunehmend schwieriger, ja manchmal fast unmöglich machen. Hierbei ist zuoberst die zunehmende Übertragung von zusätzlichen Aufgaben von Bund und Land auf die Kommunalverwaltungen zu nennen. Der finanzielle Ausgleich hierfür bleibt oftmals ganz aus oder findet nur sehr unzureichend statt. Dies lähmt zunehmend die Arbeit der kommunalen Verwaltung, und dies nicht nur in Hilchenbach. Jüngste Beispiele sind u.a. die unzureichende Gegenfinanzierung der Kosten der Flüchtlingskrise, die Übertragung von Aufgaben im Bereich der besonderen Wohnformen oder auch die neuste Blitzidee der Information von Bürgerinnen und Bürgern zum Thema Organspende bei der Ausgabe von Ausweisen. Wer hierbei glaubt, dass dies mit der Aushändigung einer Broschüre erledigt ist, glänzt aus meiner Sicht entweder mit grandioser Weltfremdheit oder vollkommender Gleichgültigkeit den Kommunen gegenüber.
Zur Bewältigung dieser immer schwieriger werdenden Aufgaben bedarf es insgesamt einer gehörigen Portion Idealismus sowie Motivation. Die oben genannten Erläuterungen führen am Ende dazu, dass mir dieser Idealismus zunehmend abhandenkommt und mir die Motivation für die Zukunft fehlt, die für die Ausübung dieses Amtes zwingend erforderlich ist. Folgerichtig beende ich diese außergewöhnliche und tolle Zeit Ende Oktober 2020. Und das tue ich, das kann ich bereits heute mit Sicherheit sagen, mit einer gehörigen Portion Wehmut, aber auch einem ebenso großen Stolz auf das, was wir zusammen in 5 Jahren erreicht haben. Und wenn ich gefragt werde, ob ich die Zeit als Bürgermeister der Stadt Hilchenbach bereue, kann ich bei aller Anstrengung, bei allem entstandenen Stress nur eines ganz sicher sagen:
Ich bereue nichts!
Ich bedaure, dass die Entscheidung letztlich dennoch so ausgefallen ist und hoffe aber, dass Sie, liebe Hilchenbacherinnen und Hilchenbacher, meine Entscheidung verstehen und akzeptieren können.
Bis Oktober bleibt aber noch viel zu tun!
Bis dahin!
Ihr
Holger Menzel“
Quelle: Stadt Hilchenbach