Siegen / Bad Berleburg – „Der WisentTrägerverein hat den >>Öffentlichrechtlichen Vertrag für die Freisetzungsphase ,Wisente im Rothaargebirge‘<< gekündigt. Gleichzeitig hat er das Eigentum an den frei lebenden Tieren aufgegeben. Damit sind die Wisente nun herrenlos. Sie unterliegen jetzt dem strengen Artenschutzrecht und fallen in die Zuständigkeit des Landes NRW. Diese beiden Schritten – Vertragskündigung und Eigentumsaufgabe – waren für den WisentVerein die letzte Möglichkeit, das Artenschutzprojekt zu retten und den Wisenten im Rothaargebirge eine Zukunft in Freiheit zu geben.“ – so beginnt eine Pressemeldung des Trägervereins Wisent-Welt-Wittgenstein e.V. vom heutigen 29.09.2022.
Wisente schon länger Gegenstand von Rechtsstreits
Wie Teile der Südwestfalen-Nachrichten.de-Redaktion bei einem Besuch für einen Bericht auf landmomente.de erfahren haben, besteht die dahinterliegende Problematik schon seit einem längeren Zeitraum. Durch die freilebende Wisentherde entstehen Schäden bei Waldbauern, die dagegen Klage eingereicht haben. Der Verein müsse Vorkehrungen treffen, um derlei Schäden zu verhindern. Bei unserem Besuch wurde allerdings berichtet, dass Maßnahmen wie die Einzäunung der Wisente nicht nur gegen den Sinn und Zweck des Projektes verstoßen würden, sie wären gleichzeitig eine starke finanzielle Belastung. Die Vereinsvertreter betonten, dass eine starke Zusammenarbeit mit den verantwortlichen politischen Stellen für eine Lösung notwendig seien. „Dieser politische Wille ist in den vergangenen Sitzungen bei den Vertragspartnern jedoch nicht erkennbar gewesen“, so der Verein heute. „Zum Wohle der Wisente sah der Trägerverein deshalb keine andere Möglichkeit als die Vertragskündigung und die Aufgabe des Eigentums an den Tieren. Damit haben die Wisente den Status der Herrenlosigkeit erlangt, sind nunmehr nach den Regelungen des besonderen Artenschutzrechts streng geschützt und damit auch von den Waldbauern (wieder) zu dulden.“
Kreis kritisiert Verhalten als vertragswidrig
Noch vor der Meldung des Vereins erreichte die Redaktion bereits eine Mitteilung des Kreises, die das gleiche Thema aus anderer Perspektive behandelte. Darin heißt es, „Das Projekt „Wisente am Rothaarsteig“ soll beendet werden. Der Trägerverein Wisent-Welt-Wittgenstein e.V. kann die erforderlichen Rahmenbedingungen für eine Weiterführung nicht schaffen.“ Verschiedene beteiligte Behörden seien sich einig, dass eine Fortführung des Projektes nicht möglich sei.
Die Art der Vertragsauflösung findet allerdings Kritik: „Heute hat der Verein außerdem die Herrenlosigkeit der Herde sowie die Kündigung der bisherigen Vereinbarung erklärt. Weiterhin wurde erklärt, dass der Verein die bisherigen Management-Maßnahmen ab sofort einstellt. Durch diesen rechtlichen Kniff will sich der Verein seiner Verpflichtungen erledigen, die grundlegende Voraussetzung dafür waren, dass der Trägerverein die Tiere seinerzeit überhaupt freisetzen durfte. Der Verein will damit die Verantwortung für die Herde auf die öffentliche Hand überwälzen und zu Lasten der privaten Eigentümer eine Pflicht zur Duldung von Fraßschäden auslösen.
Dieses vertragswidrige Verhalten des Trägervereins werden die Dienststellen des Kreises Siegen-Wittgenstein und des Landes nicht auf sich beruhen lassen. Es wird zu klären sein, ob der Verein mit seiner Herrenlos-Erklärung tatsächlich die angestrebten Rechtsfolgen ausgelöst hat. Vor allem aber muss bei der Entscheidung über den weiteren Verbleib der Tiere den Zweifeln an der bisherigen fachlichen Konzeption des Projektes Rechnung getragen werden“.
Keine leichtfertige Entscheidung
Ob vertragswidrig oder nicht lässt sich durch die Redaktion ohne Einsicht in die Verträge nicht feststellen; Fest steht jedoch, dass die Entscheidung nicht leichtfertig getroffen wurde: „Der Verein bedauert den Schritt der Vertragskündigung, da er das in Westeuropa einzigartige Artenschutzprojekt in Westeuropa gerne gemeinsam mit den Vertragspartnern erfolgreich ins Ziel geführt hätte. Dazu hat der Verein stets alles Erforderliche getan, neue Kooperationspartner gewonnen und angeboten, tatkräftig daran mitzuwirken, dass die Ergebnisse des Gutachtens zur Freisetzungsphase erfolgreich umgesetzt werden. Das blieb aber bei den Vertragspartnern ohne jede Resonanz. Daher hat der Verein angesichts des Scheiterns der Verhandlungen sein Recht in Anspruch genommen, den Vertrag zu kündigen. […] Das WisentProjekt ist vor mehr als zehn Jahren auf Initiative von Richard Prinz zu SaynWittgensteinBerleburg ins Leben gerufen worden. Zahlreiche Menschen haben sich seitdem dafür auf vielfältige Weise vorbildlich engagiert. Die Wisente sind zu positiven Markenbotschaftern einer ganzen Region geworden. Nun ist das Ziel einer rechtlich stark geschützten frei lebenden WisentHerde im Rothaargebirge erreicht worden. Auch wenn der Weg dorthin ursprünglich ein anderer sein sollte.“
Wer nun die Verantwortung über die freilaufenden Wisente übernimmt, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit vor Gericht entschieden. Die Wisente im eingezäunten Bereich, der auch eine große und wachsende Beliebtheit als Ausflugsziel besitzt, bleiben der Umgebung allerdings erhalten.
Autorin: Amei Schüttler