„Die Reaktionen auf unsere Ankündigung, Gastfamilien für unbegleitete minderjährige Flüchtlingskinder zu suchen, waren überwältigend und haben uns völlig überrascht“, sagt Thomas Wüst, Fachgebietsleiter Pflegekinderdienst des Kreises Siegen-Wittgenstein. Vor rund vier Wochen hatte der Kreis angekündigt, junge Flüchtlinge, die ohne Verwandte oder Begleitung nach Deutschland kommen, möglichst in Gastfamilien unterbringen zu wollen. Am kommenden Montag, 9. November, findet nun ein Infoabend für Interessierte statt – ab 18:00 Uhr in der Aula des Kulturhauses Lÿz.
Zwischenzeitlich hat der Fachservice Jugend und Familie ein Konzept erarbeitet, mit dem die künftigen Gastfamilien auf ihre Aufgabe vorbereitet werden können und mit dem der Kreis die Gastfamilien begleiten wird. „Die jugendlichen Flüchtlinge, die zu uns kommen, unterscheiden sich stark von Gleichaltrigen, die hier in Deutschland groß geworden sind“, sagt Thomas Wüst: „Wer monate- oder jahrelang auf der Flucht war, oft ums nackte Überleben kämpfen musste, hat ein ganz anderes Selbstbewusstsein und fühlt sich wesentlich erwachsener“, berichtet Wüst: „So jemandem kann man z.B. nicht einfach sagen, dass er abends um 10 zuhause sein soll.“
Das muss künftigen Gastfamilien bewusst sein, ist der Mitarbeiter des Fachservices Jugend und Familie überzeugt. Darüber, über die weiteren Rahmenbedingungen und die Unterstützungsmöglichkeiten durch den Kreis soll beim Infoabend informiert werden – entscheiden muss an diesem Abend niemand irgendetwas, betont Wüst.
Neben der dauerhaften Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingskindern muss sich der Kreis nach einer Gesetzesänderung jetzt auch verstärkt um die Erstunterbringung dieser Kinder kümmern. Durch die beiden Erstaufnahmeeinrichtungen in Burbach und Bad Berleburg kommen mehr unbegleitete Flüchtlingskinder nach Siegen-Wittgenstein als auf Dauer im Kreisgebiet bleiben werden. All diese Kinder wird der Kreis nun vorläufig in Obhut nehmen. Dies ist für eine Dauer von 14 Tagen vorgesehen, bis geklärt ist, wo die Kinder endgültig hingehen werden. Denn die bundesweite Verteilung dieser Kinder erfolgt künftig nach dem gleichen so genannten Königsteiner-Schlüssel wie auch die Verteilung von erwachsenen Flüchtlingen.
Für die 14-tägige Inobhutnahme wird der Kreis mit der Diakonie Südwestfalen zusammenarbeiten. Eine entsprechende Kooperationsvereinbarung wurde jetzt geschlossen. Der Kreis dankt der Diakonie für die Bereitschaft, einer Gruppe von minderjährigen Flüchtlingen vorübergehend zu helfen. Untergebracht und betreut werden die bis zu zwölf Jugendlichen in der Ausweichstation der Diakonie im Untergeschoss des Kredenbacher Krankenhauses.
Die Sozialen Dienste der Diakonie stellen dafür pädagogisches Fachpersonal ab. Weitere Unterstützung wird aus dem Klinikbereich rekrutiert. „Die Nähe zum Krankenhaus garantiert auch eine gute medizinische Betreuung der Kinder und Jugendlichen“, betont der Kreis einen der Vorteile dieser Kooperation. Der Krankenhausbetrieb in den darüber liegenden Etagen läuft ungehindert weiter, unterstreicht die Diakonie.
„Wir helfen, wie und wo es uns möglich ist“, sagt Uwe Kanis, Leiter der Sozialen Dienste. In Abstimmung mit der Diakonie-Geschäftsführung herrschte ob der großen Flüchtlingsnot rasch Einigkeit, die „vorläufige Inobhutnahme von minderjährigen Jugendlichen als temporäre Zwischenlösung“ zu ermöglichen. Die Ausweichstation ist baulich in einem sehr guten Zustand, hat separate Zugänge und bereits im vergangenen Jahr wertvolle Dienste verrichtet, als nach einem Bombenfund in der Siegener Hengsbachstraße das Seniorenheim Haus Obere Hengsbach komplett evakuiert werden musste.