Siegen – Hier eine Portion fettiger Gänsebraten, dort ein Stück Nuss-Nougat-Torte und den Abend mit einem Rotwein ausklingen lassen ─ schon hat der eine oder andere ein drückendes Gefühl hinter dem Brustbein, Magenschmerzen oder saures Aufstoßen. Was Sodbrennen auslösen kann und wie Ärzte diagnostizieren und therapieren, hat Dr. Gisela Labenz beim Siegener Forum Gesundheit im Diakonie Klinikum Jung-Stilling rund 40 Gästen erklärt. Die Ärztin ist Ernährungsexpertin am Medizinischen Zentrum Siegerlandflughafen in Burbach und Mitgründerin des Refluxzentrums Siegerland. Auch eine Gehörlosen-Selbsthilfegruppe nahm teil, die mithilfe von zwei Übersetzerinnen dem Vortrag folgen konnte.
„Der Magen produziert Salzsäure, um Nahrungsbestandteile zu verdauen und Krankheitserreger abzutöten“, sagte Labenz. Verschließt der Muskel am Ende der Speiseröhre den Mageneingang unzureichend, kann der saure Mageninhalt in die Speiseröhre steigen. Mediziner sprechen dann von der Refluxkrankheit. In der Folge kann es neben Sodbrennen und Rückfluss bis in den Mundbereich beispielsweise auch zu Oberbauchschmerzen, Hustenattacken, Kehlkopf- und Rachenentzündungen kommen. Bei einer Störung des Verschlussmechanismus zwischen Speiseröhre und Magen sind die Ursachen, die Probleme auslösen können, vielfältig. Sie können von Übergewicht über üppige Mahlzeiten bis hin zu Alkohol- und Nikotinkonsum reichen. Bei manchen Patienten ist die Krankheit angeboren. Besteht der Verdacht auf Reflux, können Ärzte mittels Protonenpumpeninhibitoren (PPI) behandeln. Das sind Medikamente, die die Bildung von Magensäure hemmen. Labenz empfahl: „Die PPI sollten 30 Minuten vor der Mahlzeit eingenommen werden.“ Hilft dies nicht, können Ärzte die Dosierung ändern oder das Präparat wechseln. Labenz riet auch zu sogenannten Alginaten. „Diese Extrakte aus Braunalgen bilden eine schützende Barriere im Magen und blockieren mechanisch den Reflux. Zudem nimmt der Körper Alginate nicht auf und scheidet sie unverändert aus.“ Als weitere Ursache für Reflux nannte sie einen Zwerchfellbruch, der durch eine Bindegewebsschwäche oder dauernden Druck im Bauchraum entstehen kann. Dabei klaffen die beiden Zwerchfell-Schenkel auseinander und der obere Magenteil verlagert sich in den Brustraum. „Der Schließmuskel funktioniert dann nicht mehr richtig.“ Endoskopisch können Ärzte die Innenwände von Speiseröhre und Magen auf einem Bildschirm betrachten. Patienten wird dabei ein beweglicher Schlauch mit einer kleinen Kamera in die Speiseröhre und den Magen eingeführt. Ist die Schleimhaut an einer Stelle auffällig verändert, können Mediziner Gewebeproben entnehmen, diese mit einem Mikroskop untersuchen und eine Diagnose stellen. Helfen Medikamente nicht, kann mit einer Operation die Schließmuskelfunktion wieder hergestellt werden. Ein Verfahren ist das Anlegen einer Magenmanschette. Chirurgen ziehen dabei den in den Brustbereich vorgedrückten Magenteil zurück in den Bauchraum.
Aus der Magenwand konstruieren sie eine Manschette, die wie ein Ventil wirkt und den Rückfluss in die Speiseröhre verhindert. Ein anderes Verfahren stärkt den Schließmuskel durch elektrische Stimulation mit dem Vorteil, dass die Anatomie nicht verändert wird. Um selbst vorzubeugen, riet Labenz, fettige, süße, saure sowie zu scharfe Speisen zu meiden und auf Nikotin zu verzichten. „Geizen Sie mit allem, was Ihren Magen reizt. Trinken Sie Fenchel-Tee, akut stilles Wasser oder Kartoffelsaft und gehen Sie nach dem Essen spazieren. Nehmen Sie kleine Mahlzeiten und bevor Sie schlafen gehen nichts mehr zu sich“, so die Ernährungsexpertin.
Weil die Erkrankung vielschichtig ist und dem Fachwissen verschiedener Experten bedarf, haben das Diakonie Klinikum Jung-Stilling, das St. Marien-Krankenhaus Siegen und Dr. Gisela Labenz das Reflux-Zentrum Siegerland gegründet. In diesem Zusammenschluss mit bundesweitem Vorbildcharakter, behandeln Internisten, Chirurgen und Ernährungsmediziner gemeinsam.