Die „Rabenmutter“ gibt es nur in Deutschland
Hagener Hochschulgespräche beschäftigten sich mit familienfreundlicher Personalpolitik
Hagen. Dass die Deutschen zu wenig Kinder bekommen ist bekannt. Ebenso der daraus resultierende Mangel an Arbeitskräften. Auch, dass Politik und Wirtschaft sich schwer tun, eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen, ist nichts Neues. Kann eine familienbewusste Personalpolitik in den Unternehmen Antworten auf den demografischen Wandel geben? Das diskutierten im Rahmen der Hagener Hochschulgespräche Experten aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft in der Fachhochschule Südwestfalen.
Familienbewusste Personalpolitik hat eine gesellschaftliche, volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Perspektive verdeutlichte Dr. Regina Ahrens vom Forschungszentrum Familienbewusste Personalpolitik und gab den zahlreich erschienenen Zuhörern auch zu Beginn mit auf den Weg, was drunter zu verstehen ist: „Familienbewusste Personalpolitik umfasst alle freiwilligen Regelungen, die formell oder informell getroffen werden, um die Kombination der Lebensbereiche Beruf und Familien zu ermöglichen“. Dabei stehen den Unternehmen verschiedene Instrumente zur Verfügung, angefangen von flexiblen Arbeitszeiten und -orten über Serviceleistungen wie Betriebskindergärten und geldwerten Leistungen bis hin zu einem familienfreundlichen Führungsverhalten. Aus der Sicht von Ahrens rechnet sich eine familienbewusste Personalpolitik für die Unternehmen auch betriebswirtschaftlich. Sie wies aber auch darauf hin, dass gerade berufstätige Mütter häufig noch mit gesellschaftlichen Akzeptanz-problemen zu kämpfen haben: „Den Begriff Rabenmutter gibt es nur in Deutschland“.
Die Auswirkungen einer schrumpfenden Bevölkerung skizzierte SPD-Bundestagsabgeordneter Franz Müntefering mit zahlreichen Beispielen. Er plädierte für eine stärkere Achtsamkeit und Humanisierung der Arbeitswelt und den Mut zur Veränderung: „Es darf kein potenzieller Erwerbstätiger verloren gehen und wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen auch lange in ihrem Beruf bleiben können“. Auch aus seiner Sicht muss die Erwerbsquote bei Frauen gesteigert werden: „Wenn die, die möchten, auch arbeiten können, werden wir eine erhebliche Veränderung am Arbeitsmarkt spüren“. Im Bereich der Bildung setzt Müntefering auf die Duale Ausbildung. Die Fachhochschule Südwestfalen, die auf diesem Gebiet sehr aktiv ist, bezeichnete er „als Hoffnungsträger, um junge Menschen in der Region zu halten“.
Handfeste Bespiele einer familienbewussten Personalpoltik lieferte Katharina Pahl, Chief Human Ressources Officer bei der DORMA Holding GmbH + Co,KGaA. Sie befürwortete ein verändertes Arbeitsethos in den Unternehmen weg von der Präsenz- hin zu einer Ergebniskultur. Aus ihrer Sicht wird in Zukunft das Thema häusliche Pflege von Familienangehörigen für die Unternehmen an Bedeutung gewinnen. Den Schlüssel für eine familienbewusste Personalpolitik sieht Dahl in der Qualifizierung und Sensibilisierung der Führungskräfte: „Mittelfristig geht es um eine nachhaltige, gesundheitsbewusste Personalpolitik, um eine Kultur des Vertrauens“. Für sie kann der Weg nur über eine ganzheitliche Betrachtung des Prozesses des demografischen Wandels gehen, um daraus ableitend maßgeschneiderte Handlungsfelder für die Zukunft zu entwickeln. Eine Einschätzung, die auch Müntefering teilt: „Manche Unternehmen werden es schwer haben, wenn sie keine passenden Konzepte haben“.