Etwas merkwürdig sehen die Damen und Herren in ihren Fledermaus-Kilts schon aus. Zumindest am Boden, wenn sie, wie es scheint, etwas unbeholfen durch die Gegend watscheln. Aber dieses vermeintliche Handikap ist dem textilen Design ihrer Klamotten geschuldet. Es geht hier weniger um Mode-Chic und Eitelkeit, denn um Zweckmäßigkeit. Und die offenbart sich erst in der Luft. Dort können diese Vogelmenschen die Stärken ihrer Kluft voll ausreizen – und gehen ab wie Schmitt’s Katz.
Auch auf dem Siegerlandflughafen und dem Breitscheider Flugplatz kreuzen diese „Wingsuiter“ genannten Exoten vereinzelt die Wege. Eine (noch) kleine, aber wachsende Fraktion innerhalb der dort angesiedelten Fallschirmspringer-Gemeinschaft. Jörg Kleine aus Betzdorf hatte diese Spielart des Skydivings hier vor einigen Jahren etabliert. Heuer steht der Mann Kollegen, die mit dieser Disziplin liebäugeln und sich darin auch gerne versuchen möchten, als Instruktor mit Rat und Tat zur Seite. Um überhaupt für eine solche Ausbildung zugelassen zu werden, muss der Novize 200 „normale“ Fallschirmabsprünge nachweisen. Trotzdem ist der Spaß nicht riskanter als die konventionelle Art des Fallschirmspringens, eben halt nur anders.
Wingsuits sind spezielle Ganzkörper-Anzüge mit Flächen aus Stoff zwischen Armen und Beinen, die ein klein wenig an die Häute eines Gleithörnchens erinnern. Sie wirken, von Luft durchströmt, wie Flügel, lassen ihre Träger wie Batman aussehen und wandeln die vertikale Fallgeschwindigkeit teilweise in horizontale Flugbewegungen um. Das ähnelt dann ein bisschen dem (Gleit-)Flug eines Vogels. Deshalb auch der Begriff „Birdmen“. Intern werden diese Luftsportler gerne auch mal als „Kittelflieger“ bezeichnet.
Fallschirmspringer erreichen im freien Fall eine Vertikalgeschwindigkeit von 180 bis 200 km/h, müssen aber dann bei einer Absprunghöhe von 4000 Metern spätestens nach 60 Sekunden den Schirm öffnen. Die „Wingsuiter“ haben mehr Zeit, den rasanten Spaß in vollen Zügen zu genießen. Ihr Flügelanzug bremst das Sinktempo auf 60 km/h ab und verwandelt dieses gleichzeitig in horizontale Geschwindigkeit. Das ermöglicht ihnen das Überwinden großer Distanzen.
Richtig ins Rollen kam die Wingsuit-Welle Ender der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts mit der Entwicklung eines (relativ) leicht beherrschbaren Vogelanzugs. Der erste seiner Art war in Folge unter der Bezeichnung „BirdMan“ im Handel erhältlich. Trotzdem sollte es von da an noch einige Jahre dauern, bis die Skydiver so richtig auf den Geschmack kamen. Heute sind sie es.
Erstmals war Wingsuitfliegen mit den Disziplinen Acrobatic und Performance auch als offizielle Wettbewerbsdisziplin der Deutschen Meisterschaften im Fallschirmspringen gesetzt, die in diesem Jahr über dem Flugplatz Bremgarten im Breisgau stattfanden. Für die „Acrobatic“-Klasse hatten auch die Burbach-Breitscheider Skydiver eine Mannschaft gemeldet. Jörg Kleine hatte mit Christian Grempel und Kameramann Marc Stanglmayer ein Team zusammengestellt, das unter dem Namen „FreeBatics“ den Wettkampf bestritt und auf Rang zwei landete.
Pro Durchgang/Sprung mussten verschiedene Figuren und Manöver absolviert werden, deren Ablauf im sogenannten „Dive-Pool“ des Deutschen Fallschirmsportverbandes vorgegeben ist. Auch bei diesen choreografisch anspruchsvollen „Tanzeinlagen“ gibt es, wie bei vielen anderen sportlichen Wettstreiten ebenfalls, Pflichten und Küren.
Neben der Acrobatik-Variante gibt es noch die „Performance“-Disziplin. Dabei sind längste Zeit, die weiteste Entfernung und höchste Horizontalgeschwindigkeit beim Durchfliegen eines vertikalen Fensters von 3000m x 2000m Höhe die entscheidenden Kriterien. Die Auswertung erfolgt mit Hilfe von GPS. Und da man sowieso schon mal in Bremgarten war…: Jörg Kleine nutzte die Gunst der Stunde und versuchte sich auch in dieser Kategorie – und das recht erfolgreich. Der Betzdorfer qualifizierte sich auf Anhieb für die Weltmeisterschaften im kommenden Jahr. Na denn….
Text: Jürgen Heimann