Tierplastiken machen Sandkasten zur Wasserwelt
Siegen – Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) hat einen ehemaligen Spielplatz in der Siegener Siedlung „Vorderes Wenscht“, auf dem Tierplastiken der Bildhauerin Ruth Fey aufgestellt worden sind, jetzt als Denkmal des Monats ausgezeichnet. Als einziger von mehreren Spielplätzen in der Siegener Siedlung „Vorderes Wenscht“ ist der Spielplatz östlich des Hans-Böckler-Platzes neben dem Hochhaus weitgehend unverändert erhalten geblieben. Allerdings wird er zur Zeit nicht mehr als Spielplatz genutzt. Die Tierplastiken ergänzen das Skulpturenprogramm, das in der Siedlung von bedeutenden siegerländer Künstlern wie Hermann Kuhmichel und Gertrud Vogd-Giebeler geschaffen worden ist.
„Der hohe gestalterische Anspruch, der den Freiraum der Siedlung ‚Vorderes Wenscht‘ prägt und seinen Denkmalwert mitbestimmt, wird auch durch den einzigen aus der Bauzeit der Siedlung erhaltenen Kinderspielplatz mit seinen Tierskulpturen dokumentiert“, so LWL-Denkmalpfleger Uwe Siekmann. Wohnungsnahe und funktional gestaltete Spielplätze seien ein wichtiges städtebauliches und grünplanerisches Ziel beim Siedlungsbau der 1950er-Jahre gewesen, so Siekmann weiter. In der Siedlung „Vorderes Wenscht“ in Siegen entstanden in den Jahren ab 1953 Spielplätze für Kinder unterschiedlicher Altersgruppen. Es gab den Reihenhäusern zugeordnete Spielflächen für Kleinkinder mit Sandkasten und Bänken sowie einen großen, mit Spielgeräten und Bolzplatz ausgestatteten Spielbereich für ältere Kinder am Nordrand des Dr.-Dudziak-Parks.
Die international anerkannte Siegener Bildhauerin Ruth Fay (1923-2008) knüpfte mit den Tierfiguren für den Spielplatz an die seit den 1920er Jahren verbreitete Tradition an, Skulpturen und Plastiken in öffentlichen Grünanlagen aufzustellen. „Man nahm an, dass plastische Kunstwerke einem inneren Bedürfnis des Menschen entsprechen und zu seiner Bildung und Erbauung beitragen würden. Daher wurden auch Spielplätze mit figürlichen Kunstwerken ausgestattet. Skulpturen und Plastiken selbst wurden zu Spielgeräten oder die Spielgeräte wurden künstlerisch gestaltet“, erklärt Siekmann.
Der Spielplatz auf dem zum Hofbach abfallenden Gelände besteht aus einem von Natursteinstützmauern eingefassten Sandspielbereich, Banknischen, Treppenanlagen, Wegen und einer anschließenden Rasenfläche.
Die von Ruth Fay geschaffenen abstrakten Tierplastiken, ein Schwan, ein Seehund und ein Nilpferd, stehen auf niedrigen Sockeln inmitten des Sandspielbereichs. In der Natur bildet Wasser einen Teil des Lebensraums der dargestellten Tierarten, so dass die Bildhauerin mit ihren Figuren die Phantasie der Kinder anregen wollte, den Sandspielbereich spielerisch als Gewässer zu interpretieren, als Zoo oder als Manege eines Zirkusses. „Ruth Fays Wassertiere zeichnen sich durch eine abstrakt-dezente künstlerische Formensprache und eine hohe handwerkliche Fertigkeit in der Oberflächenbearbeitung der Skulpturen aus. Leider hat der ‚Zahn der Zeit‘ den Tierplastiken zugesetzt, so dass eine Reparatur sehr wünschenswert ist“, sagt Siekmann.
Hintergrund
Öffentliche Kinderspielplätze gibt es seit rund 150 Jahren. Gestaltete Spielplätze mit Karussell und Schaukel finden sich zwar schon im 18. Jahrhundert in herrschaftlichen Gärten des Adels – sie dienten aber vornehmlich dem Spiel und der Zerstreuung der Erwachsenen. Vereinzelt wurden auch schon in Randbereichen repräsentativer Parkanlagen Spielbereiche angelegt – so in den Dresdner Wallpromenaden um 1830 – doch das blieben Einzelerscheinungen.
Der erste öffentliche Spielplatz für Kinder wurde 1864/65 von dem Pädagogen Dr. Ernst Hauschild in Leipzig angelegt. Er nahm damit eine Anregung des Arztes Dr. Daniel Gottlob Moritz Schreber (1808-1861) auf, der die krankmachenden Lebensbedingungen für Kinder in dicht bebauten Wohnquartieren der Industriearbeiter durch die Anlage von Spielplätzen und Bewegung im Grünen verbessern wollte. Die von „Schrebervereinen“ gegründeten Spielplätze wurden später von Beeten umgeben und entwickelten sich zu den heutigen Kleingartenanlagen.
Die Anlage öffentlicher Kinderspielplätze wurde in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zu einer wichtigen Aufgabe sozialreformerisch ausgerichteter Garten- und Bauverwaltungen vieler Städte. In den neuen Volksparks entstanden vielfältig nutzbare Spielwiesen und mit Sandkästen, zuweilen auch mit Planschbecken ausgestattete Spielplätze. Auch im Siedlungsbau in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts gehörten Spielplätze für Kinder zum festen Bestandteil des Freiraums. Fest installierte Spielgeräte gab es zunächst kaum, wichtiger waren Platz für Bewegung und ein Sandkasten, was ausreichte, um die Phantasie der Kinder anzuregen.
Text: lwl